16 July 2021

In jungen Jahren ans Tor der Bundesliga geklopft

Das Comeback der Zeitstrafe

Ljubio Miloloza war ein grandioser Instinktfußballer, der mit Technik, Dynamik und einem unnachahmlichen Torriecher glänzte

Von Günter Kircher

Fußball. Trotz seines relativ jungen Alters (45) zählte der in Bad Orb auf gewachsene Ljubio Miloloza zu den bekanntesten Akteuren, die jemals im Fußballkreis Gelnhausen kickten. Bundesligaclubs wie Eintracht Frankfurt und Bayer Leverkusen buhlten um die Gunst des damals blutjungen Talentes. In der Vita des technisch beschlagenen „Zehners" stehen in seiner über 30-jährigen Laufbahn acht Vereine: Der FSV Bad Orb, der FSV Frankfurt, die SG Bad Soden, der SV Bernbach, Borussia Fulda, der SV Somborn, der VfB Oberndorf und der FC 03 Gelnhausen waren Clubs, in denen der Vater einer Tochter fußballerisch einiges erlebte. In seiner Bernbacher Zeit zählte ein Auftritt gegen den damaligen Champions-League-Sieger Borussia Dortmund und eine Partie gegen den deutschen Rekordmeister FC Bayern München zu den Höhepunkten in seiner Karriere. Im Jahre 2015, mit fast 40 Jahren, zog der Vertriebsangestellte eines Baustoffhandels einen Schlussstrich unter eine intensive und zeitlich immer eingeschränkte Fußballer-Laufbahn.

Im Alter von sechs Jahren begann der damalige „Straßenfußballer" in der Jugend des FSV Bad Orb mit dem Kicken. Mit 15 wechselte er zum JFC Vorspessart, dem damaligen Vorzeigeclub im Kreis Gelnhausen. „Das Niveau beim JFC hatte schon etwas von einer Kreisauswahl", blickt der einstige Fan von Borussia Mönchengladbach zurück. Mit fast 17 Jahren rückte der Jungspund durch seine Leistungen ins Blickfeld namhafter Vereine.

Ronald Borchers, ehemaliger Bundesligaprofi von Eintracht Frankfurt und damals Trainer des SV Bernbach in der Oberliga Hessen, traf sich in einem Eiscafé in der Kurstadt mit Miloloza. „Er ist mit seinem Jaguar vorgefahren, und war elegant gekleidet. „Junge, ich bring dich groß raus, waren seine Worte." Er sei mächtig beeindruckt gewesen, gibt Miloloza im Rückblick zu. „Da ich keinen Führerschein hatte und auch keinen Fahrer, musste ich diese Offerte schweren Herzens absagen. Es sind ja auch 20 Kilometer einfach von Bad Orb nach Bembach.“

Probetraining bei Bayer Leverkusen: Mit Bernd Schuster, Ulf Kirsten und Rudi Völler gemeinsam auf dem Platz

Einige Zeit später sei er auf einer Fremdensitzung in Bad Orb von Hans-Georg Feige, der damals den SV Lettgenbrunn trainierte, angesprochen worden. „Er fragte mich, ob ich Lust hätte, ein Probetraining beim Bundesligisten Bayer Leverkusen zu absolvieren. Nachdem der Kontakt hergestellt war, absolvierte ich dort ein einwöchiges Probetraining. Komplett eingekleidet von Bayer und etwas eingeschüchtert, mischte ich im Abschlussspiel der Bayer-Profis mit." Weltstars und klangvolle Namen wie Paulo Sergio, Bernd Schuster, Ulf Kirsten, Andreas Thom und Rudi Völler tummelten sich auf dem Platz. „Lustig war eine Begebenheit mit Trainer Dragoslav Stepanovic, als ich erstmals auf dem Trainingsplatz stand. „Stepi“ musterte mich von oben bis unten, und meinte dann: „Ljubio, wo ist deine Muskulatur?“ „Die bring ich das nächste Mal mit“, antwortete ich schlagfertig. Danach mussten wir beide lachen.“

ln einem Testspiel gegen den holländischen Club Willem II Tilburg siegte Bayer Leverkusen mit 2:1. „Ich spielte mit einer Gastspielerlaubnis, schoss ein Tor und bereitete das andere vor. Danach hieß es von Leverkusener Seite: „Wir melden uns.“

 

Kurze Zeit später wurde Miloloza erneut zu einem Probetraining inklusive Testspiel geladen. „Da lief es nicht so gut für mich, und deshalb war der Traum Bayer Leverkusen ausgeträumt. Zurückblickend hat mir einfach ein Begleiter oder Berater gefehlt“, sieht Miloloza die Dinge mit etwas Abstand gelassener.

Handschlag mit Cheftrainer Jupp Heynckes bei Eintracht Frankfurt

Bei Trainer Rudi Bommer, der die Amateure von Eintracht Frankfurt trainierte, bekam der heute im Frankfurter Stadtteil Bornheim wohnende Fußballer eine weitere Gelegenheit zum Vorspielen. „Meine Schwester, die mich gefahren hatte, saß in der alten Vereinsgaststätte am Riederwald und trank mit Weltmeister Bernd Hölzenbein einen Kaffee. Als ich dazu kam, meinte der ehemalige Klassestürmer: ,Wir suchen einen Ersatz für Antony Yeboah.' ,Das bin aber nicht ich', antwortete ich wie aus der Pistole geschossen."

In der Bundesliga-Nachwuchsrunde kickte der Edeltechniker aus Bad Orb mit einer Sondergenehmigung gegen den VfB Stuttgart. „Mit mir liefen bei der Eintracht Ralf Falkenmayer, Matthias - Becker, Dietmar Roth und Marek Penksa auf, um nur einige zu nennen. Der damalige Eintracht-Trainer Jupp Heynkes schüttelte mir die Hand, was mir als Mönchengladbach-Fan runter ging wie Öl. Mein Auftritt war allerdings bescheiden, sodass kein Engagement zustande kam."

Zurück bei seinem Heimatverein FSV Bad Orb, brillierte Miloloza in der Bezirksoberliga Frankfurt Ost und weckte die Begehrlichkeiten der großen Nachbarvereine. 1995/96 kam der Wechsel zum Regionalligisten FSV Frankfurt zustande. „Ich wurde Stammspieler und absolvierte 26 Spiele von Beginn an. Leider konnten wir den Abstieg nicht verhindern. Ich zog etwas überstürzt in die Oberliga zur SG Bad Soden weiter. Zurückblickend wäre es besser gewesen, weiter beim FSV zu bleiben, zumal wir mit Bad Soden aus einer starken Oberliga abgestiegen sind", bereut der torgefährliche Mittelfeldspieler den Wechsel in die Kurstadt im Nachhinein.

Die ganz besondere Zeit beim SV Bernbach

Im Winter 1998 folgte der Wechsel zum SV Bernbach. „In der Saison 2000/01 kam es zu Unstimmigkeiten im Verein. Auch einige Spieler suchten bei anderen Clubs neue Herausforderungen. Vom Kader blieben noch 13, 14 Akteure übrig, die den harten Kern bildeten. Wir hielten zusammen wie Pech und Schwefel und haben über die Relegation die Oberliga gehalten. Wir waren ein richtig eingeschworener Haufen - wie die Italiener bei der kürzlich gewonnenen Europameisterschaft," blickt Miloloza mit Stolz zurück. Vom damaligen und zwischenzeitlich verstorbenen Torwarttrainer Jörg Golombek kann der 45-Jährige eine nicht alltägliche Anekdote zum Besten geben. „Wir spielten samstagsnachmittags in Vellmar. Es ging für beide Clubs um den Klassenerhalt. Da ich arbeiten musste, holte mich Jörg Golombek am Vormittag ab, und wir fuhren Richtung Nordhessen. Unterwegs erwähnte „Gospo“, dass es in einem Rasthof vor Kassel leckere Schnitzel gebe. Da ich Hunger hatte, hielten wir an. Ich verdrückte ein Schnitzel mit Pommes. Der Rest ist eigentlich verrückt. Wir waren pünktlich am Treffpunkt in Vellmar und gewannen das Spiel 2:1. Das Schnitzel wirkte wie Doping, denn ich erzielte die beiden Treffer zum Sieg. Diese Geschichte haben wir lange für uns behalten, schmunzelt Miloloza zurückblickend.

2002/03 folgte eine Saison bei Oberligist Borussia Fulda. „Mit Henry Lesser (einem ehemaligen DDR-Auswahlspieler), Viktor Passulko (russischer Ex-Nationalspieler) und Andrzej Rudy (ein ehemaliger Bundesligaspieler des 1. FC Köln) hatten wir drei Trainer in einer Saison. Aufgestiegen sind wir trotzdem nicht. Höhepunkt war ein Freundschaftsspiel gegen Bayern München, bei denen damals Michael Tarnat, Thorsten Fink und Hasan Salihamidzic im Mittelfeld spielten. Als ich zwei, drei Pässe in die Tiefe spielte, applaudierten die Bayern-Stars", erinnert sich Miloloza an diesen nicht alltäglichen Husarenstreich.

Spielertrainer in Oberndorf und beim FC Gelnhausen

Nach weiteren drei Jahren in Bernbach, wo der SVB als Fahrstuhlmannschaft zwischen Ober- und Verbandsliga pendelte, folgte eine Saison beim SV 09 Somborn, der dank vieler Treffer von Miloloza über die Aufstiegsrelegation den Sprung in die Verbandsliga Süd schaffte. 2007, im Alter von 32 Jahren, folgte die erste Station als Spielertrainer beim damaligen Kreis-oberligisten VfB Oberndorf. „Wir mischten im ersten Jahr vorne mit, danach wurden wir Fünfter und Zehnter. Es hat trotzdem Spaß gemacht, denn Oberndorf ist ein gut geführter Verein mit einem familiären Umfeld." Fünf Jahre beim FC 03 Gelnhausen, davon drei Jahre in der Gruppenliga Frankfurt Ost, waren die letzte Ausfahrt einer großen Karriere mit vielen unvergesslichen Erlebnissen.

Drei Aufstiege und vier Abstiege stehen als prägende Ereignisse in über 20 Jahren Seniorenfußball für Ljubio Miloloza zu Buche. Nach dem Umzug vor sechs Jahren in den Frankfurter Stadtteil Bornheim hat der einstige Edeltechniker die Farben des Lieblingsclubs gewechselt. „Seit ich dort wohne, bin ich Eintracht-Frankfurt-Fan", verkündet Miloloza seine neue Fußballliebe. Seine neu gewonnene Freizeit verbringt der 45-Jährige, dessen sportliche Vorbilder Diego Armando Maradona und Zinedine Zidane sind, mit seiner Tochter Mina und seiner Freundin, und sollten wieder Zuschauer zugelassen werden, mit Stadionbesuchen bei der SGE.

Weiterhin hat der Vertriebsangestellte seine Leidenschaft für Reisen und Essensspezialitäten aus verschiedenen Ländern für sich entdeckt. Eine Rückkehr als Trainer kann sich der Vollblutfußballer mit kroatischen Wurzeln nicht vorstellen. „Ich genieße die neu gewonnene Zeit mit Dingen, die während meiner Fußballerzeit zu kurz kamen", erteilt Miloloza einer Rückkehr auf den grünen Rasen eine klare Absage.