Die „drei Musketiere“ aus Bad Orb
HEINER WEISBECKER, THOMAS METZLER UND JÖRG DÖPPENSCHMITT KOMMEN ZUSAMMEN AUF STOLZE 116 JAHRE IN EHRENAMTLICHER VERANTWORTUNG
Fußball. In Zeiten, wo sich immer weniger Menschen ehrenamtlich in der Vereinsarbeit engagieren, kann der heimische Gruppenligist FSV Bad Orb auf seine drei „Urgesteine“ bauen. Die Rede ist von Heiner Weisbecker, Thomas Metzler und Jörg Döppenschmitt, die zusammen auf 116 Jahre Vereinsarbeit und Ehrenamt kommen. GNZ-Mitarbeiter Günter Kircher sprach mit dem Dreigestirn über Höhen und Tiefen im Vereinsleben, die Situation im Amateurfußball und über die Ausrichtung im Nachwuchsbereich.
NIn der Jugend des FSV machten alle drei Ehrenamtier ihre ersten fußballerischen Gehversuche. Während Weisbecker und Metzler noch eine kurze Zeit in der Reserve kickten, schlug Döppenschmitt nach der Jugend die Schiedsrichterlaufbahn ein. Der heutige Sportliche Leiter stieg bis zur Verbandsliga auf. Allerdings missfielen dem Verwaltungsfachangestellten die Kriterien zum Aufstieg. „Da hat man schon viel Vitamin B gebraucht, um vorwärts zu kommen. Es wurde ganz schön gemauschelt“, blickte der 51-Jährige zurück. 1993 beendete Döppenschmitt seine Schiedsrichterlaufbahn und widmete sich komplett der Vorstandsarbeit. Als Jugendleiter hatte er 1987 auf diesem Gebiet bereits erste Erfahrungen gesammelt. Im Nachhinein bereute der Bayern-München-Fan den Ausstieg. „Ich habe ein Jahr zu früh aufgehört. Nach Bezirkslehrwart Albert Walz kam mit Rainer Boos ein ehemaliger Bundesligaschiedsrichter ans Ruder, der die jungen Schiris besser förderte.“ Neben einer Episode als erster Vorsitzender ist Döppenschmitt seit 2008 als Sportlicher Leiter tätig.
Die Vitae von Weisbecker und Metzler sind mit Ämtern des Präsidenten, Vorsitzenden, Geschäftsführers, Kassierers, des Spielausschusses sowie Pressewartes und Schiedsrichterbetreuers über viele Jahrzehnte reichlich gefüllt. Während Weisbecker derzeit im Spielausschuss mitwirkt und als Pressesprecher der ersten Mannschaft fungiert, kümmert sich Präsident Metzler um die Pressearbeit der zweiten und dritten Mannschaft.
1977 IM DFB-POKAL GEGEN DEN VFL WOLFSBURG, TESTSPIEL GEGEN KAMERUN UND „KAISER“ FRANZ BECKENBAUER LEIBHAFTIG.
Zudem packen die beiden Rentner bei anfallenden Arbeiten auf dem Sportgelände mit an. In der fast hundertjährigen Geschichte des Clubs sind einige Höhepunkte verankert. Unvergessen ist das DFB-Pokalspiel in der ersten Runde 1977, als Verbandsligist Bad Orb dem damaligen Nordoberligisten VfL Wolfsburg in der VW-Stadt mit 1:3 unterlag.
1982 war die Sportanlage „In der Au“ fünf Minuten in der Sportschau zu sehen. Als erste afrikanische Mannschaft hatte damals Kamerun die WM-Teilnahme geschafft und absolvierte gegen den damaligen Landesligisten Bad Orb ein Testspiel, das die Kurstädter denkbar knapp mit 0:1 verloren.o
1991 wurden fast 4000 Zuschauer Zeuge eines 6:3-Sieges des Bundesligisten Eintracht Frankfurt. Allerdings ärgerten die FSV-Kicker die Profis ein wenig und führten 3:1, ehe am Ende die Verhältnisse zurechtgerückt wurden.
1993 gastierte die Uwe-Seeler-Traditionself vor 3000 Fans in der Kurstadt. Zugpferde waren die deutschen Nationalspielerlegenden Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Wolfgang Overath und Bernd Hölzenbein. Auch ein Spiel der Inter-Toto-Runde zwischen Eintracht Frankfurt und Ferencvaros Budapest lockte 3000 Besucher an.
Negativ, aber durchaus nachvollziehbar ist der Rückzug der Mannschaft 2007 aus der Gruppenliga Frankfurt Ost in die Kreisliga A zu bewerten. „Wir verloren neun Stammspieler und hatten keine Neuzugänge, die qualitativ die Gruppenliga geschafft hätten. Im Nachhinein war das die richtige Entscheidung“, betonen alle drei unisono. Zwar gelang gleich wieder der Aufstieg in die Kreisoberliga, doch erst der gute A-Jugend-Jahrgang 1995, den Helmut Dauth trainierte, ließ den FSV dann sportlich wieder hoffnungsvoller in die Zukunft blicken.
Akteure wie Marvin Begemann, Nico Dauth und Tim Wittig zählen heute zu den Stützen der ersten Mannschaft. In der jüngeren Zeit schafften mit Leon Büchner, Mirza Becirovic und Yakup Yigit drei weitere Eigengewächse den Sprung ins Gruppenliga-Team. „Einige junge gute Akteure wie die Veselov-Brüder Alexander und Vitalij sowie Roland Emich und Almir Muminovic erlagen den finanziellen Reizen anderer Clubs, allerdings war das vor unserem guten 95er-Jahrgang“, berichtet Weisbecker.
KLARE VORSTELLUNGEN VON DER ZUKUNFT DES AMATEURFUSSBALL
Auch über die Situation im Amateurfußball machen sich die drei so ihre Gedanken. „Früher sind die Schiedsrichter nach dem Spiel immer nochmal im Sportheim gewesen, heute bleibt ganz selten mal ein Referee nach dem Spielende. Auch die Spielerwechsel während der Winterpause gehören abgeschafft, denn durch die frei verhandelbaren Ablösesummen machen sich die Vereine erpressbar. Zudem stört mich die Abstiegsregelung in der Gruppenliga, die wird nicht ernsthaft genug angegangen. Auch Wochentagsspiele sollten wegfallen, denn da verläuft sich kaum ein Besucher ins Sportheim. Das reicht gerade so, um den Schiedsrichter zu bezahlen. Spiele am Freitagabend und Sonntagnachmittag, wie das der Kreis Schlüchtern seit Jahren praktiziert, wären viel besser“, bringt Weisbecker jede Menge Anreize ins Spiel.
sFür Döppenschmitt ist in den vergangenen zehn bis 15 Jahren der Zuschaueranteil fast um die Hälfte eingebrochen. „Bei uns im Sportheim ist fast null Betrieb. Auch andere Clubs wie Pfaffenhausen und Kassel, die in der Vergangenheit immer einen regen Zuspruch hatten, haben weniger Zulauf zu verzeichnen. Das gemütliche Beisammensein nach dem Spiel findet kaum mehr statt.“
„Die Kluft zwischen Profis und Amateuren wird immer größer, auch weil viele Zuschauer lieber zu ihren Bundesligaclubs fahren, anstatt ihren Heimatverein zu unterstützen“, macht sich Metzler seine Gedanken. Im Jugendbereich ist der Verein gut aufgestellt. „Gerade von der E-bis zur C-Jugend sind wir gut besetzt. Wir fangen auch mit dem Training wieder an, um die Spieler bei Laune zu halten, nicht dass uns welche zu anderen Sportarten abwandern. Allerdings suchen wir noch qualifizierte Trainer, die sich ehrenamtlich engagieren“, hofft Döppenschmitt noch auf die entsprechende Resonanz für die Zukunft.
IN ZELTEN VON CORONA DAS VEREINSHEIM UND DIE SPIELERKABINEN RENOVIERT
In Zeiten von Corona steht in Bad Orb die Null. „Wir haben seit dem 18. März null Einnahmen und null Ausgaben. Dafür haben wir die Spielerkabinen und das Vereinsheim renoviert“, berichtet der ehemalige Schiedsrichter von einer sinnvollen Überbrückung während der fußballlosen Zeit.
tSollte im September wirklich wieder der Ball rollen, wollen die Bad Orber Kicker gewappnet sein. „Wenn man von einer Ligastärke zwischen 20 und 24 Vereinen ausgeht, müssen wir personell über einen breiten, ausgeglichenen Kader verfügen“, macht sich der Sportliche Leiter seine Gedanken. Um dies zu bewerkstelligen, laufen noch Verhandlungen, um den einen oder anderen Akteur zu verpflichten. Da es bei den Kurstädtern außer Benzingeld keinen finanziellen Anreiz gibt, ist die sportliche Entwicklung in der Gruppenliga für junge talentierte Akteure trotzdem eine reizvolle Aufgabe. Ihr 100-jähriges Vereinsjubiläum wollen die Bad Orber Fußballer auf alle Fälle in der Gruppenliga feiern, darauf sind die Planungen des Vereins für die Zukunft ausgerichtet.